Zuletzt aktualisiert am 15. Mai 2022
Autismus Diagnostik
Um Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) bestmöglich zu fördern, ist die Früherkennung sehr bedeutsam. Autistische Verhaltensweisen können allerdings erst dann diagnostiziert werden, wenn sich eindeutige Verzögerungen oder Auffälligkeiten im Sprach-, Spiel- und Kontaktverhalten zeigen. Bei Kindern mit überdurchschnittlich hohen kognitiven Fähigkeiten werden Frühsymptome daher häufig fehlgedeutet und es kommt oft erst im Schulalter zu einer Diagnosestellung. Eine späte Autismus-Diagnose (evtl. erst im Erwachsenenalter) kann auch vorkommen, wenn die Symptomatik im Kindesalter schwach ausgeprägt ist oder sich erst spät entwickelt.1
Die Leitlinien empfehlen, dass die Diagnostik sowie Differentialdiagnostik von ASS in spezialisierten Einrichtungen und im multiprofessionellen Team erfolgen sollten. So kann bei Kindern z. B. ein Team aus Kinderarzt, Kinder- und Jugendpsychiater, Logopäde und ggfs. Ergotherapeut oder Sonderpädagoge hinzugezogen werden.
Die Autismus-Diagnostik sollte im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenalter mindestens folgende Elemente beinhalten: 2
- Symptomerfassung basierend auf den ICD-10 Kriterien
- Eigen- und Fremdanamnese über Symptomerfassung im Vorschul- und Schulalter, aktuelle Symptome, Entwicklungsanamnese, medizinische und psychiatrische Auffälligkeiten, mögliche Risikofaktoren
- Direkte Verhaltensbeobachtung
- Entwicklungsdiagnostik inkl. kognitiver Testung
- Erfassung der Sprachentwicklung
- Erfassung des aktuellen Funktionsniveaus hinsichtlich persönlich-familiärer, schulischer und beruflicher Aspekte
- Internistisch-neurologische Untersuchung
- Labor- und apparative Untersuchungen nur, wenn klinisch indiziert, z. B. bei unklaren Befunden oder zum Ausschluss anderer Erkrankungen
- Abklärung vorhandener internistisch-neurologischer sowie psychiatrischer komorbider (=begleitender) Erkrankungen
Verschiedenste Screening-Instrumente wie Fragebögen werden zur ersten Einschätzung einer möglichen ASS eingesetzt. Da sie falsche Ergebnisse liefern können, sollten sie nur als Teil der Gesamtdiagnostik zum Einsatz kommen, z. B. wenn bestimmte Risikofaktoren vorliegen sowie mindestens ein Symptom auf eine ASS hinweist. Eltern sollten sich in jedem Fall vom Kinderarzt beraten lassen, bevor sie eigenmächtig nicht validierte oder nicht altersentsprechende Fragebögen im Internet ausfüllen. So kann es nicht zu einem vorschnellen und schlimmstenfalls falschen Befund kommen.
Begleitdiagnosen
Es gibt begleitende Störungen oder Krankheitsbilder, die bei Patienten mit einer ASS häufiger auftreten können. Ca. 70-85 % aller Betroffenen leiden unter mindestens einer komorbiden Störung, die neben der ASS behandelt werden muss.
Die häufigsten Begleitdiagnosen sind: 3
- Entwicklungsstörungen wie Intelligenzminderung und Sprachentwicklungsstörungen
- Psychische Störungen oder Verhaltensprobleme wie Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Angststörungen, Phobien, Tics, Zwangsstörungen
- Neurologische Störungen wie Epilepsie/Krampfleiden, Seh- und Hörbeeinträchtigungen
- Funktionelle Probleme und Störungen wie Ernährungsprobleme, Verdauungsprobleme, Schlafstörungen
Für Betroffene und ihre Angehörigen ist es sehr wichtig, dass Begleiterkrankungen frühzeitig erkannt und behandelt werden.
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Autismus
Therapiemöglichkeiten bei Autismus
Rehabilitationsmöglichkeiten bei Autismus
Grad der Behinderung bei Autismus
Pflegebedürftigkeit bei Autismus
Autismus im Kindergarten und in der Schule
Autismus in der Ausbildung und im Beruf
1 „Klare Sprache statt Klischees. Wie sich die berufliche Teilhabe von Menschen mit Autismus gestalten lässt.“ REHADAT Wissensreihe, Ausgabe 08, 2019, S. 13.
2 Langfassung der Leitlinie "Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter, Teil 1: Diagnostik", AWMF online, 2016, S. 136. Abgerufen unter: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/028-018.html
3 Ebd.