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Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen
(SGB IX, Teil 2)
Die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen war bis Ende 2019 eine Unterstützungsmaßnahme der Sozialhilfe. Durch eine Neuerung des Bundesteilhabegesetzes wird die Eingliederungshilfe zum 1.1.2020 aus dem Sozialhilferecht (SGB XII) herausgelöst und als Teil 2 ins Rehabilitations- und Teilhaberecht (SGB IX) übernommen.
Hinweis: Die wichtigsten Neuerungen des Bundesteilhabegesetzes sind nachzulesen im Artikel zum Bundesteilhabegesetz.
Die Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es
- eine drohende Behinderung abzuwenden
- bei einer bereits eingetretenen Behinderung die Folgen zu beseitigen oder zu mildern
- Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft einzugliedern, indem ihnen die Ausübung einer angemessenen beruflichen Tätigkeit und die Unabhängigkeit von Pflege ermöglicht wird
Leistungsberechtigte
Leistungsberechtigt ist, wer aufgrund einer gesundheitlichen Störung nicht nur vorübergehend, d. h. länger als 6 Monate, wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben eingeschränkt ist oder von einer solchen Behinderung bedroht ist.
Eine Person gilt als wesentlich behindert, wenn
- sie körperlich wesentlich behindert ist, d. h. ihre Bewegungsfähigkeit ist eingeschränkt, sie ist blind oder sehbehindert, gehörlos, stumm, taubstumm oder seelentaub
oder
- sie geistig wesentlich behindert ist, d. h. wegen einer geistigen Schwäche kann sie am Leben in der Gemeinschaft nur eingeschränkt teilhaben
oder
- sie seelisch wesentlich behindert ist, d. h. ihre Teilhabefähigkeit ist eingeschränkt, z. B. aufgrund einer körperlich nicht begründbaren Psychose, einer seelischen Störung, Suchtkrankheit, Neurose oder Persönlichkeitsstörung
Ausnahmen: Nicht leistungsberechtigt sind Personen, die ausschließlich
- lernbehindert
- legasthenisch oder arithmasthenisch
- erziehungsschwierig
- krank und pflegebedürftig
- sozial gefährlich
sind.
Liegt eine nicht wesentliche Behinderung vor, wird nur in absoluten Ausnahmefällen Eingliederungshilfe geleistet. Dies liegt im Ermessen der Eingliederungshilfeträger.
Träger der Eingliederungshilfe
Die Eingliederungshilfe stellt eine steuerfinanzierte Leistung dar. Sie wird durch die Träger der Eingliederungshilfe erbracht.
Hinweis: Die Träger der "neuen Eingliederungshilfe" (§ 94 Absatz 1 SGB IX) sind von Bundesland zu Bundesland verschieden und werden zurzeit noch festgelegt. Die Webseite "Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz" gibt unter www.umsetzungsbegleitung-bthg.de/gesetz/umsetzung-laender Auskunft darüber, welche Institutionen von den jeweiligen Bundesländern bereits benannt wurden.
Voraussetzungen
- die Person muss leistungsberechtigt sein
- es besteht die Aussicht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann
- die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen ist eine nachrangige Leistung, d. h. sie wird nur erbracht, wenn kein vorrangiger Leistungsträger wie die Krankenversicherung, Rentenversicherung oder die Agentur für Arbeit diese Hilfe leistet. Auch privatrechtliche Versicherungsleistungen oder Schadensersatzansprüche haben Vorrang vor der Eingliederungshilfe
- Um Anrecht auf Eingliederungshilfe zu haben, müssen Menschen mit Behinderungen nicht mehr mittellos sein oder bleiben. Die Einkommens- und Vermögensfreigrenzen werden schrittweise erhöht. Seit Anfang 2020 beträgt der Vermögensfreibetrag 50.000 €. Ehe- und Lebenspartnereinkommen und -vermögen werden nicht mehr berücksichtigt.
Vorrang gegenüber anderen Sozialleistungen
Haben Betroffene nicht nur Anspruch auf Eingliederungshilfe, sondern auch auf andere Sozialhilfeleistungen, wird die Eingliederungshilfe vorrangig gewährt.
Die Eingliederungshilfe ist gegenüber der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten vorrangig, wenn es sich um eine wesentliche Behinderung handelt.
Ausnahme:
Ansprüche auf Gesundheitshilfe, Krankenhilfe und Hilfe zur Pflege werden vorrangig zur Eingliederungshilfe gewährt, wenn diese Leistungen voraussichtlich eine Behinderung verhindern können. Ist absehbar, dass eine wesentliche Behinderung durch die Leistungen der Gesundheitshilfe oder der Hilfe bei Krankheit nicht abgewendet werden kann, wird Eingliederungshilfe geleistet.
Unterhaltspflicht der Eltern
Eltern sind gegenüber ihren volljährigen Kindern mit Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die Leistungen der Eingliederungshilfe beziehen, unterhaltspflichtig. Der pauschale Unterhaltsbeitrag beträgt seit dem 1.1.2020 monatlich maximal 34,44 €.
Gleichzeitiger Bezug anderer Sozialleistungen
Solange Fortschritte in der selbständigen Lebensführung eines Betroffenen erzielt werden können, wird statt Hilfe zur Pflege Eingliederungshilfe geleistet. Je nach Art und Schwere der Behinderung, können unter Umständen neben der Eingliederungshilfe auch Leistungen der Hilfe zur Pflege erbracht werden, z. B. wenn der Betroffene neben der Beschäftigung in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen häusliche Pflege benötigt.
Schwerbehinderte oder schwerstmehrfachbehinderte Kinder erhalten im Rahmen der Eingliederungshilfe heilpädagogische Maßnahmen. Zusätzlich können auch Pflegeleistungen gewährt werden.
Leistungen der Eingliederungshilfe
Die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen umfassen Leistungen aus 4 Leistungsgruppen der Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe:
- Leistungen der medizinischen Rehabilitation, dazu zählen u.a.
- Rehabilitationssport
- Kuren
- Heilmittel
- Therapien
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, dazu zählen u.a.
- Leistungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für Menschen mit Behinderung
- Leistungen bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern
- Leistungen zur Teilhabe an Bildung, dazu zählen u.a.
- Hilfe zur einer angemessenen Schulbildung
- Berufsausbildung
- Studium
- Leistungen zur Sozialen Teilhabe, dazu zählen u.a.
- Leistungen für Wohnraum
- Assistenzleistungen
- Leistungen zur Förderung der Verständigung (z.B. Gebärdendolmetschdienste)
- Leistungen zur Mobilität (z.B. Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs oder zur Erlangung der Fahrerlaubnis)
- Hilfsmittel (z.B. Hörgeräte, Blindenhunde oder Schreibmaschinen für Blinde)
Leistungsformen der Eingliederungshilfe
Ab dem 1.1.2020 werden die Leistungen der Eingliederungshilfe in verschiedenen Formen erbracht:
- Dienstleistungen
- Sachleistungen
- Pauschale Geldleistungen
- Persönliches Budget
Dauer
Die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen wird nach dem individuellen Einzelfall erbracht und in der Regel solange geleistet, bis ihre Aufgabe erfüllt ist.
Anlaufstellen und weitere Informationsquellen
Nähere Informationen zu den Leistungen oder einer möglichen Unterhaltspflicht der Angehörigen können bei den zuständigen Eingliederungshilfeträgern erfragt werden.
Das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) bietet ebenfalls eine kostenfreie Hotline zum Thema Behinderung unter 030 221 911 006 an.
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