Zuletzt aktualisiert am 20. Dezember 2021
Tipps im Umgang mit ADHS für Betroffene
Umgang mit der Diagnose
Zunächst ist es wichtig, sich über ADHS umfassend zu informieren. Als erste Informationsquellen eignen sich fachlich fundierte Seiten im Internet, Fachbücher und praktische Ratgeber.
Denn: Zum Experten bezüglich des eigenen Störungsbildes zu werden, kann entscheidend zum positiven Umgang mit ADHS beitragen.
Wer ADHS und die zugehörigen Symptome kennt, kann schneller aktiv gegensteuern und sich zum Beispiel Unterstützung bei Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen suchen. Essenziell ist zudem, das eigene Umfeld miteinzubeziehen. Sobald Familienmitglieder, Freunde, Kollegen oder Schulkameraden eine Vorstellung von ADHS bekommen, können sie Betroffene besser verstehen und ihnen zur Seite stehen.
ADHS im Alltag
Entwickeln von Strukturen
Häufig fehlt es Menschen mit ADHS an Planung im Alltag. Vor allem das Entwickeln von Strukturen gilt als Basis der nicht-medikamentösen Therapie bei Kindern mit AD(H)S und kann bei Erwachsenen ebenso hilfreich sein. Für Orientierung sorgen insbesondere Wochenpläne, To-Do-Listen und Rituale.
Ordnung ins Chaos
Als Nebensymptom fehlender Strukturen leiden Betroffene häufig unter Unordnung und Vergesslichkeit. Hilfreich sind Ordner, Farbkodierungen, Erinnerungszettel, Notizen an sich selbst sowie individuelle Aufräumsysteme, bei denen jeder Gegenstand immer an einem speziellen Platz aufbewahrt wird (z. B. die Schlüssel an einem Schlüsselbrett).
Umgang mit starken Emotionen
In Momenten erhöhter Impulsivität gilt es, die aufkommenden Emotionen zu erkennen und konstruktiv mit ihnen umzugehen. Bei Wutausbrüchen können Betroffene ihre Emotionen z. B. regulieren, indem sie den Ort des Geschehens verlassen, an der frischen Luft spazieren gehen oder Entspannungsübungen durchführen. Auf diese Weise können sie ihre Gedanken sortieren und ihren Ärger später sachlich und klar formulieren.
Positive Selbstwahrnehmung
Da Menschen mit ADHS im Alltag häufig anecken, fällt es ihnen oft schwer, ihre Stärken zu erkennen und zu nutzen. Dabei verfügen sie oftmals über Ressourcen und Talente, wie Kreativität, Hilfsbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Spontanität und Ideenreichtum. Für die Stärkung des Selbstwertes kann es zudem hilfreich sein, eher negativ behaftete ADHS-Symptome in positive Eigenschaften umzudeuten. Beispielsweise kann die positive Kehrseite des Aufmerksamkeitsdefizits eine gesteigerte Neugier oder die der inneren Unruhe eine erhöhte Energie sein.
ADHS und Beruf
In der Regel stehen ADHS-Betroffenen alle Berufswege offen.
Je nach Schweregrad kann ADHS allerdings den beruflichen Alltag beeinträchtigen und bei besonders schwerer Ausprägung und Begleiterkrankungen zu einer Berufsunfähigkeit führen. Vor allem Tätigkeiten, die hohe Konzentration über einen längeren Zeitraum verlangen, einen großen Routineanteil aufweisen oder unter Termindruck erledigt werden müssen, können Patienten Schwierigkeiten bereiten.
In der Literatur werden z. B. Pflegeberufe, gestalterische oder kreative Berufe, Tätigkeiten mit einem hohen Bewegungsanteil oder Berufe, die im Freien ausgeübt werden, empfohlen.1 Arbeit kann für Menschen mit ADHS in hohem Maße zu einer gesteigerten Lebensqualität beitragen. Die regelmäßige Tätigkeit gibt ihrem Alltag Struktur und steigert ihr Selbstbewusstsein. Auch die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und der Kontakt zu Kollegen können innerlich strukturieren und Sozialkompetenzen verbessern.
Folgende Tipps können den beruflichen Alltag und den Umgang mit ADHS erleichtern:
Abwechslungsreiche Tätigkeiten
Der gesteigerte Bewegungsdrang lässt sich besonders gut durch einen Wechsel von dynamischen und monotonen Tätigkeiten kompensieren. Betroffene sollten ausreichend Pausen und Bewegung in ihren Tagesablauf integrieren (z.B. kurze Spaziergänge, Treppen steigen, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren o.ä.).
Das Arbeitsumfeld anpassen
Damit Menschen mit ADHS sich bei der Arbeit optimal zentrierten können, sollten sie typische Störfaktoren erkennen und beseitigen. Sie können z.B. ihr Telefon lautlos schalten oder den Schreibtisch vor die Wand, statt vor ein Fenster stellen. Lenkt das Arbeiten in einem Großraumbüro zu sehr ab, können sie um eine Versetzung an einen ruhigeren Arbeitsplatz bitten.
ADHS und Sport / Freizeit
Bewegung hilft insbesondere Kindern mit ADHS, die meist als grobmotorisch begabt und fit gelten, ihre Stärken zu fördern und ihre Selbstregulationsfähigkeiten auszubauen. Sport kann zudem die Symptome dämpfen und wird daher häufig innerhalb einer ADHS-Therapie eingesetzt.3
Eine aktive und abwechslungsreiche Freizeitgestaltung ist für die Ausgeglichenheit wichtig. Besonders eignen sich dafür kreative oder musikalische Hobbys, Zeit mit Familie oder Freunden sowie Ausdauer- oder Kraftsportarten.
ADHS und Entspannung
Entspannungsverfahren helfen den Betroffenen innerlich zur Ruhe zu kommen, Stress abzubauen sowie Aufregung und Unruhe in einer emotional belastenden Situation zu lösen.
Yoga kann sich neuesten Untersuchungen zu Folge positiv auf die Symptome der ADHS auswirken.4

Mit der Progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson, bei der einzelne Muskelgruppen aktiv angespannt und anschließend wieder entspannt werden, können Patienten ihre Körperwahrnehmung verbessern und die Muskelspannung senken.5
Zahlreiche Krankenkassen bezuschussen oder übernehmen mittlerweile die Kosten für zertifizierte Entspannungskurse. Fragen Sie daher am besten bei ihrer Krankenkasse vor Ort nach.
ADHS und soziale Beziehungen
Betroffene sollten mit nahestehenden Familienmitgliedern und Freunden offen über ihr Störungsbild sprechen. Unterstützung und Verständnis des nahen Umfelds erleichtern den Umgang mit ADHS.
Ob Bekannte und Kollegen über die Störung informiert werden, ist immer eine individuelle Entscheidung. Es kann Vorteile haben, den Arbeitgeber zu unterrichten. Allerdings ist ADHS keine meldepflichtige Krankheit, muss dem Arbeitgeber also nicht mitgeteilt werden. Wird der Arbeitgeber ins Vertrauen gezogen, ist er verpflichtet, diese Information vertraulich zu behandeln und sollte auch darauf hingewiesen werden.
In einer Partnerschaft können ADHS-Symptome einige Schwierigkeiten bereiten. Dazu zählen mangelnde Kritikfähigkeit, eine verzerrte oder ungenaue Wahrnehmung sowie schnelle Stimmungswechsel. Hilfreich kann es sein, gemeinsam feste Beziehungsregeln aufzustellen.
Der gemeinnützige Selbsthilfeverein ADHS Deutschland e. V. - www.adhs-deutschland.de/ - stellt eine Broschüre zum Thema „ADHS und Partnerschaft“ bereit. Ein ADHS-User-Guide gibt praxisnahe Tipps für ein harmonisches Miteinander.
1Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in dieser Broschüre für die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung die Abkürzung ADHS verwendet, obgleich natürlich auch Ausprägungen der Störung ohne Hyperaktivität (H) existieren.
2„ADHS und Beruf“. ADHSpedia, 2016. Abgerufen unter: www.adhspedia.de/wiki/ADHS_und_Beruf#cite_note-7
3„Lehrbuch ADHS“. Gawrilow, C., 2016, S. 146 f.
4Yoga“. ADHSpedia, 2016. Abgerufen unter: www.adhspedia.de/wiki/Yoga
5„Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson“. ADHSpedia, 2016. Abzurufen unter: www.adhspedia.de/wiki/Progressive_Muskelrelaxation_nach_Jacobson