Zuletzt aktualisiert am 31. Oktober 2022
Depression
Depressionen gehören zu den häufigsten Krankheiten in Deutschland. Leider wird die Schwere der Erkrankung von der Öffentlichkeit immer noch unterschätzt und missverstanden. Gemäß Studien der Weltgesundheitsorganisation, der Weltbank und des European Brain Council sind Depressionen in Europa und Deutschland seit Anfang der 1990er Jahre noch vor anderen Volkskrankheiten, wie Diabetes mellitus oder koronaren Herzerkrankungen, die gesellschaftlich belastendste Krankheitsgruppe.1 Depressionen haben sehr unterschiedliche Erscheinungsformen und können gravierende Auswirkungen auf alle Lebensbereiche des Betroffenen haben.
Depressive Verstimmung oder Depression?
Die meisten Menschen kennen traurige und mutlose Phasen, in denen ihnen scheinbar jede Energie fehlt und sie sich zurückziehen wollen. Von einer Depression im Sinne einer psychischen Erkrankung wird gesprochen, wenn die Symptome länger als 14 Tage anhalten und den Menschen deutlich beeinträchtigen. Neben der Niedergeschlagenheit gehören eine erhebliche Antriebsstörung und Interessenverlust zu den typischen Symptomen. Hinzu kommen sozialrechtliche Fragen, wie beispielsweise das Ende des Krankengeldbezugs, Reha, Rente oder die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises, die Patienten in einer solchen Situation überfordern können.
Eine altersunabhängige Erkrankung
Depressionen treten grundsätzlich in jedem Lebensalter auf. Schon Kinder und Jugendliche können an einer Depression erkranken. Liegt das Erkrankungsrisiko bei Grundschülern bei 3,4 %, wird im Jugendalter von einer Erkrankungsrate von bis zu 8,9 % ausgegangen.2
Bei Kindern äußert sich eine Depression häufig in Form von körperlichen Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen, großer Müdigkeit und Erschöpfung. Auch Verhaltensauffälligkeiten, z. B. häufiges Weinen, Aggressivität oder Apathie, können auf eine depressive Erkrankung hindeuten. Wenn ein Kind oder ein Jugendlicher Selbstmordabsichten äußert, sollten Angehörige und Ärzte dies stets ernst nehmen. Am häufigsten werden Depressionen jedoch in der Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen diagnostiziert.3 Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.4
Doch auch im höheren Lebensalter gehören Depressionen neben demenziellen Erkrankungen zu den häufigsten Leiden. Fälschlich deuten Angehörige oder Fachkräfte die Symptome oft als Alterserscheinungen oder Lebenskrisen. Besonders bei diesen Patienten ist die Suizidgefahr groß.
Es gibt derzeit etwa 9,2 Millionen Betroffene in Deutschland. Etwa ein Viertel von ihnen entwickelt ein schweres Krankheitsbild. Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Depression (alle Formen) zu erkranken, liegt national wie international bei 16–20 %. Das Lebenszeitrisiko an einer Dysthymie (anhaltende, länger als zwei Jahre bestehende depressive Störung) zu erkranken beträgt etwa 4 %.5
Damit zählen Depressionen zu den häufigsten, aber hinsichtlich ihrer individuellen und gesellschaftlichen Bedeutung meist unterschätzten Erkrankungen.

Ursachen
Die medizinische Forschung geht davon aus, dass eine Depression durch das Zusammentreffen einer Vielzahl von Faktoren ausgelöst wird. Nach genetisch epidemiologischen Studien treten depressive Störungen familiär gehäuft auf. Angehörige ersten Grades haben ein etwa 50 % höheres Risiko als die Allgemeinbevölkerung, selbst an einer unipolaren depressiven Störung zu erkranken.5 Zudem gelten belastende Lebensereignisse wie Todesfälle, eine schwierige Kindheit, Traumata oder körperliche Erkrankungen als mögliche auslösende Faktoren.
Merkmale einer Depression
Eine Depression äußert sich in Gefühlen der Niedergeschlagenheit, Traurigkeit und inneren Leere. Dem Betroffenen fällt es sehr schwer, selbst alltägliche Verrichtungen auszuführen; er verliert das Interesse an Dingen, die ihm sonst wichtig waren. Dies kann so weit gehen, dass der Patient schwer beeinträchtigt ist und Unterstützung im täglichen Leben benötigt.
Zu den typischen Merkmalen einer Depression gehören:
- Niedergeschlagenheit
- Innere Leere
- Grübeln
- Antriebslosigkeit
- Unfähigkeit, Freude zu empfinden
- Interessenlosigkeit
- Minderwertigkeitsgefühle
- Hoffnungslosigkeit
- Sozialer Rückzug
- Leistungsabfall
- Konzentrationsprobleme
- Probleme, den Alltag zu bewältigen
Insbesondere bei Männern können sich Depressionen auch in erhöhter Nervosität, Gereiztheit, übermäßiger Aktivität, Arbeits- oder Sportsucht oder einem riskanten und aggressiven Lebensstil zeigen. Viele Patienten leiden zudem an körperlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, erhöhter Infektanfälligkeit, Libidoverlust oder Appetitlosigkeit.
Nicht nur der Betroffene leidet an seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit, auch die Angehörigen können häufig nur zuschauen – und möchten doch so gerne helfen.
Therapie
Ein erster Schritt der Therapie ist der Gang zum Arzt, der nach eingehender Diagnostik eine Behandlung beginnt.
Wie die Behandlung bei dem einzelnen Patienten aussieht, hängt von der Diagnose ab. Bei einer leichten Ausprägung kann eine Psychotherapie allein genügen, bei mittelschweren bis schweren Depressionen ist der Einsatz von Antidepressiva meist unumgänglich. Oft wird sich der behandelnde Arzt auch für eine Kombination aus beidem entscheiden.
Medikamentöse Therapie
Bei der Behandlung depressiver Erkrankungen kommen vornehmlich Antidepressiva zum Einsatz. Antidepressiva besitzen sehr unterschiedliche Wirkprofile, so dass heute für fast jede Form der Depression ein geeignetes Medikament zur Verfügung steht.
Antidepressiva können:
- die Stimmung aufhellen
- den Antrieb steigern bzw. antriebsneutral sein oder (je nach genauem Wirkprofil)
- Beruhigen, entspannen, den Schlaf anstoßen
- Angstlösend wirken
- Unterstützend zur Therapie chronischer Schmerzen eingesetzt werden
Antidepressiva greifen in den Gehirnstoffwechsel ein und bringen den gestörten Neurotransmitterhaushalt (insbesondere Serotonin und Noradrenalin) wieder ins Gleichgewicht.
Man unterscheidet verschiedene Antidepressiva-Klassen aufgrund ihres Wirkmechanismus:
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
- Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI)
- Duale selektive Serotonin-Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)
- Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva (NaSSA)
- Monoaminoxidasehemmer (MAO-Hemmer)
- Tri- und tetrazyklische Antidepressiva
- Glutamat-Modulatoren
Die gewünschte Wirkung stellt sich in der Regel frühestens nach 1 bis 3 Wochen ein. Nach Eintritt der Wirkung ist es wichtig, die Medikation nicht gleich ohne Rücksprache mit dem Arzt wieder abzusetzen. In vielen Fällen ist für eine dauerhafte Besserung der Symptome und die Verhinderung eines Rückfalls eine regelmäßige Einnahme über mehrere Monate oder sogar Jahre erforderlich.
Wichtig zu wissen ist, dass diese Medikamente nicht abhängig machen oder die Persönlichkeit verändern!
In einigen Fällen kann es vorkommen, dass das gewählte Antidepressivum nicht zu der gewünschten Wirkung führt. Die Medikamente wirken nicht bei jedem Patienten in gleicher Weise. Deshalb kann es sein, dass der behandelnde Arzt im Verlauf eine Änderung der Medikation vorschlägt. In dieser Zeit sollten die Wirkungen – und etwaigen Nebenwirkungen – besonders engmaschig überprüft werden, damit diese Dosis an den individuellen Bedarf angepasst werden kann.6
Ausführliche Informationen zur medikamentösen Therapie bietet die Patientenleitlinie der Nationalen Versorgungsleitlinie. Online abrufbar unter
https://www.leitlinien.de/themen/depression/pdf/depression-vers3-0-lang.pdf
Psychotherapie, Soziotherapie und Ergotherapie
Die Psychotherapie ist neben der Verordnung von Arzneimitteln das wichtigste Instrument bei der Behandlung seelischer Probleme.
Soziotherapie ist eine fachspezifische ambulante Betreuung von schwer chronisch psychisch kranken Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage sind, ärztliche und ärztlich verordnete Leistungen eigenständig in Anspruch zu nehmen. Sie soll Betroffene dazu befähigen, ihren Alltag wieder zu meistern und Selbstverantwortung zu übernehmen.
Die erfolgreiche Behandlung einer Depression kann zudem unter Umständen durch Ergotherapie ergänzt werden und den Patienten bei der Wiedererlangung verlorener Kompetenzen unterstützen.
Psychoedukation
Als wichtiger Bestandteil zu Beginn einer Depressionsbehandlung gilt es, dass Therapeut und Patient gemeinsam ein Störungsmodell entwickeln. Diese sogenannte Psychoedukation dient in erster Linie der Information und Aufklärung der Betroffenen und ihrer Angehörigen über die Erkrankung, deren Ursachen, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten. Ein gutes und stimmiges Störungsmodell hilft, die Symptome besser zu verstehen, Behandlungsschritte nachzuvollziehen und trägt in einigen Fällen bereits zur Entlastung bei.
Psychoedukationskurse finden als Einzel- oder Gruppenkurse unter fachtherapeutischer Leitung statt. Typische Maßnahmen und Inhalte sind:
- Informationen zur Erkrankung, deren Symptomatik, Verlauf und möglichen Ursachen
- Bedeutung der zuverlässigen Einnahme von Medikamenten
- Erfahrungsaustausch und persönliches Erleben
- Anleitung zur kritischen Selbstbeobachtung, um den Zusammenhang zwischen Stimmungsschwankungen und eigenem Verhalten, Therapie-Compliance und sozialem Leben zu erkennen
- Förderung einer positiven Alltagsstruktur und Reduktion von Belastungen
- Erkennen von Frühsymptomen und Warnzeichen sowie die Sammlung persönlicher Strategien, um bei Krisen frühzeitig gegensteuern zu können (Krisenplanerstellung)
Du kannst Dich über Psychoedukationskurse bei Deinem Arzt, Therapeuten oder bei Selbsthilfegruppen informieren. Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten. Es lohnt sich daher, beim Versicherer nachzufragen.
Weitere unterstützende Therapieverfahren
Als unterstützende Therapieverfahren bei Depressionen kommen z. B. Entspannungsverfahren sowie Sport- und Bewegungstherapien in Frage. Diese werden im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich in der Regel als Bestandteile eines integrierten Konzepts angeboten.
Entspannungsverfahren
Um das sich z. T. permanent drehende Gedankenkarussell zum Stillstand zu bringen, eignen sich Entspannungsverfahren. Diese können insbesondere spezifische Symptome, wie z. B. Unruhe, Angst, Anspannung oder Schlafstörungen, reduzieren. Patienten sollten eine Methode wählen, die sie persönlich als angenehm und entspannend empfinden, wie Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobson, Yoga oder Meditation.
Sport- und Bewegungstherapie
Sport kann durch die Ablenkung von negativen Gedanken, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und die häufig damit verbundene soziale Interaktion die Stimmung verbessern.
Für Patienten mit Depressionen gibt es daher spezielle Angebote im Bereich Rehabilitationssport, mit denen sie ihre Bewegungsfähigkeit unter professioneller Anleitung gezielt verbessern können.
Kostenübernahme
Die Kostenübernahme für die Teilnahme am Rehabilitationssport ist zwischen den Anbietern und den Rehabilitationsträgern vertraglich geregelt. Der behandelnde Arzt kann auf Wunsch eine entsprechende Verordnung ausstellen. Nach Genehmigung der Verordnung ist das Rehabilitationssportangebot für den Patienten kostenfrei.
Weiterführende Informationen zum Rehabilitationssport bei psychischen Erkrankungen findest Du unter
Optimale Sportarten
Zusätzlich zu speziellen Rehabilitationssportangeboten hat sich Ausdauersport bei seelischen Erkrankungen besonders bewährt. Wandern, Walking, Radfahren, Schwimmen, häusliches Training an Kardiogeräten, Skilanglauf und Rudern eignen sich beispielsweise dafür. Auch Sportstudios, die Wert auf umfangreiche Beratung und Anleitung legen, sind empfehlenswert.

Sport in der Gruppe kann den Spaßfaktor und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dabeizubleiben. Grundsätzlich sollten Menschen mit seelischen Erkrankungen körperliche Bewegung als einen positiven Teil des Lebens in ihren Alltag integrieren, z. B. in dem sie die Treppe statt den Aufzug nehmen, öfter zu Fuß gehen, Fahrrad statt Auto fahren und ähnliches.
Unter www.lauftreff.de findest Du Gleichgesinnte, die mit Dir joggen oder walken. Die Internetseite www.meinverein24.de gibt einen Überblick über örtliche Vereine, www.fitnesscenter-24.com informiert über lokale Fitnessstudios.
Wie Sport bei einer depressiven Erkrankung helfen kann:
- Es werden soziale Kontakte geknüpft
- Stresshormone nehmen ab. Endorphin, Dopamin und Serotonin – die sogenannten Glückshormone – werden dagegen vermehrt ausgeschüttet
- Körperliche Aktivität kann von depressiven Gedanken ablenken
- Das Erlernen einer neuen Sportart und die damit verbundenen Erfolgserlebnisse sowie körperliche Fitness allgemein stärken das Selbstbewusstsein
- Sport hat im Vergleich zur medikamentösen Therapie keine Nebenwirkungen
- Regelmäßiges Training gibt dem Tag eine Struktur, die gerade in einer depressiven Phase oft fehlt
- Sport fördert die Hilfe zur Selbsthilfe. Das Gefühl, durch eigenes Handeln eine Verbesserung zu bewirken, stärkt das Selbstwertgefühl
- Bei Sport setzt der positive Effekt sehr schnell ein, bei Antidepressiva dauert es in der Regel mindestens einige Wochen.
1 Depressive Erkrankungen. Gesundheitsberichterstattung des Robert Koch Instituts. Themenheft Nummer 51, September 2010.
2Was sind Depressionen bei Kindern und Jugendlichen. Neurologen und Psychiater im Netz. Abgerufen unter www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugend-psychiatrie/erkrankungen/depression/was-ist-eine-depression
3 Psychiatriegespräch. Depressionen und depressive Zustände – Häufigkeit (Epidemiologie).
Abgerufen unter http://psychiatriegespraech.de/psychische_krankheiten/depression/depression_epidemiologie/
4 Psychische Gesundheit. Depression und Affektive Störungen. Abgerufen unter
www.psychische-gesundheit.info/35-affektive-stoerungen/depression-affektive-stoerungen-praevalenz.htm
5 DGPPN. S3-Leitlinie/Nationale Versorgungs-Leitlinie: Unipolare Depression. Version 2022. Abgerufen unterwww.leitlinien.de/themen/depression/pdf/depression-vers3-0-lang.pdf
6„S3-Leitlinie/NVL Unipolare Depression.“ Hrsg. DGPPN, 2022. Abgerufen unter www.leitlinien.de/nvl/html/depression/kapitel-3
7„S3-Leitlinie/NVL Unipolare Depression.“ Hrsg. DGPPN, 2022. Abgerufen unter www.leitlinien.de/nvl/html/depression/kapitel-1