Zuletzt aktualisiert am 11. Januar 2023
Erwerbsminderungsrente
(§§ 43, 240 ff. SGB VI)
Durch einen Unfall oder eine Erkrankung kann die Erwerbsfähigkeit eingeschränkt werden oder ganz verloren gehen. In einer solchen Situation erhalten gesetzliche Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen eine Rente wegen Erwerbsminderung, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Bevor die Versicherung eine Rente gewährt, prüft sie gemäß dem Grundsatz "Reha vor Rente",
ob die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen durch eine medizinische oder berufliche Rehabilitation wieder hergestellt werden kann. Ist dies nicht der Fall, ermittelt die Rentenversicherung das Ausmaß der eingeschränkten Erwerbsfähigkeit. Davon abhängig wird
- eine teilweise Erwerbsminderungsrente (früher: Rente wegen Berufsunfähigkeit)
oder
- eine volle Erwerbsminderungsrente (früher: Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) gewährt

Voraussetzungen
Der Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente wird bei der gesetzlichen Rentenversicherung gestellt. Prinzipiell müssen neben den medizinischen Voraussetzungen auch allgemeine und versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein.
Allgemeine Voraussetzungen | Versicherungsrechtliche Voraussetzungen |
|
|
Zur Wartezeit zählen neben den Pflichtbeitragszeiten auch Zeiten der Kindererziehung und der nicht erwerbsmäßigen häuslichen Pflege, Versorgungsausgleich bei Scheidung etc.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann die allgemeine Wartezeit auch schon vorzeitig erfüllt sein, z. B. bei einem Arbeitsunfall oder nach Beendigung einer Ausbildung. Dies kannst Du beim Rentenversicherungsträger abklären.
Unterschied teilweise und volle Erwerbsminderungsrente
Ob eine teilweise oder eine volle Erwerbsminderungsrente gewährt wird, ist abhängig von den gesundheitlichen Einschränkungen und von ihren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz. Dies wird in ärztlichen Befunden und Gutachten dokumentiert.
Teilweise Erwerbsminderungsrente | Volle Erwerbsminderungsrente |
Der Betroffene kann unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes auf nicht absehbare Zeit nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich tätig sein | Das tägliche Leistungsvermögen für Tätigkeiten beträgt unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auf nicht absehbare Zeit weniger als 3 Stunden täglich |
Wichtig: Allgemeiner Arbeitsmarkt bedeutet, dass sich die Erwerbsminderung auf alle Berufe bezieht, nicht nur auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit.
Erwerbsminderungsrente und Behinderung
Eine volle Erwerbsminderungsrente erhalten auch Personen, die
- in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung oder in gleichartigen Einrichtungen beschäftigt sind und wegen Art und Schwere ihrer Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können
- die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren nicht erfüllen, allerdings mehr als 20 Jahre lang ununterbrochen voll erwerbsgemindert gewesen sind. Dadurch werden alle Personen erfasst, die seit ihrer Geburt bzw. ihrem Eintritt ins Erwerbsleben dauerhaft voll erwerbsgemindert sind
Versicherte mit Vertrauensschutz bei Berufsunfähigkeit
Für Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, gilt die Vertrauensschutzregel, d. h. es besteht ein Berufsschutz. Sie können eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bereits bei Berufsunfähigkeit beziehen. Neben dem zu erfüllenden Stichtag, müssen sie:
- die Regelaltersrente noch nicht erreicht haben
- berufsunfähig sein
- die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllen
- in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit 3 Jahre Pflichtbeiträge gezahlt haben
Eine Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn in Folge von Krankheit oder Behinderung die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen im Vergleich zu körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist. Der Betroffene ist nicht mehr in der Lage seinen bisherigen Beruf oder eine andere zumutbare Tätigkeit mindestens 6 Stunden täglich auszuführen.
Der allgemeine Arbeitsmarkt spielt hier keine Rolle. Allerdings prüft der Rentenversicherungsträger, ob auf eine andere Tätigkeit, welche hinsichtlich des bisherigen beruflichen Werdegangs und der sozialen Stellung zumutbar ist, verwiesen werden kann. Immer zumutbar ist ein Beruf, der durch berufliche Rehabilitation und Umschulung erlangt worden ist.
Für alle nach dem 2. Januar 1961 Geborenen gibt es von staatlicher Seite keine Berufsunfähigkeitsrente mehr.
Private Versicherungsunternehmen bieten Policen für Berufsunfähigkeitsversicherungen an. Die Konditionen sind allerdings sehr unterschiedlich. Vergleiche daher die Angebote genau! Beratung bieten die Verbraucherzentralen unter:
Beginn der Erwerbsminderungsrente
Eine zeitlich befristete Erwerbsminderungsrente wird frühestens mit dem 7. Kalendermonat nach Eintritt der Erwerbsminderung ausbezahlt. Eine unbefristete Erwerbsminderungsrente wird dagegen bereits ab Eintritt der Erwerbsminderung (rückwirkend) gewährt.
Höhe der Erwerbsminderungsrente
Die Höhe der Rente ist abhängig von den bezahlten Beiträgen, von der Beitragszeit, dem aktuellen Rentenwert und eventuellen Abschlägen. Die Rentenversicherung übersendet jährlich an ihre Versicherten, die das 27. Lebensjahr erreicht und die 5-jährige Wartezeit erfüllt haben, Renteninformationen mit der potenziellen Rentenleistung.

Zurechnungszeit
Tritt die Erwerbsminderung schon in jüngeren Jahren ein, zählen nicht nur die bisherigen Berufsjahre. Damit sich die bis dato häufig eher niedrige Rente erhöht, erhält der Versicherte eine sogenannte Zurechnungszeit.
Diese Zurechnungszeit wird mit dem Durchschnitt der bisher geleisteten Versicherungszeiten bewertet. Dadurch wird die errechnete Rente erhöht. Seit 2014 steigt die Zurechnungszeit schrittweise an. Ab 2031 soll bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente, eine Zurechnungszeit bis zum 67. Lebensjahr - also bis zur Regelaltersgrenze für alle Versicherten ab Geburtsjahrgang 1964 - gelten.
Rentenbeginn | Zurechnungszeit bis |
2018 | 62 Jahre 3 Monate |
2019 | 65 Jahre 8 Monate |
2020 | 65 Jahre 9 Monate |
2021 | 65 Jahre 10 Monate |
2022 | 65 Jahre 11 Monate |
2023 | 66 Jahre |
2024 | 66 Jahre 1 Monat |
2025 | 66 Jahre 2 Monate |
2026 | 66 Jahre 3 Monate |
2027 | 66 Jahre 4 Monate |
2028 | 66 Jahre 6 Monate |
2029 | 66 Jahre 8 Monate |
2030 | 66 Jahre 10 Monate |
2031 | 67 Jahre |
Günstigerprüfung
Erwerbsgeminderte Personen können von einer Günstigerprüfung profitieren, wenn sie wegen ihrer Erkrankung in den letzten 4 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung weniger Gehalt bekamen. Würde ihr Rentenanspruch deswegen geringer ausfallen, werden die letzten 4 Jahre bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt.
Besonderheit der teilweisen Erwerbsminderung
Bei einer teilweisen Erwerbsminderung wird davon ausgegangen, dass Betroffene noch begrenzt arbeiten können. Sie ist deshalb nur halb so hoch, wie die volle Erwerbsminderungsrente. Im optimalen Fall können Versicherte neben dem Rentenbezug eine Teilzeittätigkeit ausüben.
Besonderheit bei Arbeitslosigkeit
Bezieher einer teilweisen Erwerbsminderungsrente, die arbeitslos sind, können eine volle Erwerbsminderungsrente erhalten, wenn kein Teilzeitarbeitsplatz auf dem regionalen Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Bei einer ungünstigen Arbeitsmarktlage ist in der Regel von einem verschlossenen Arbeitsmarkt (d. h. aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage stehen nicht ausreichend Teilzeitarbeitsplätze, dem Restleistungsvermögen des Betroffenen entsprechend, zur Verfügung) auszugehen.
Damit der Teilzeitarbeitsmarkt nicht als verschlossen gilt, muss einem Versicherten eine ausreichende Anzahl an Arbeitsplätzen zur Verfügung stehen, die seinem (Rest-) Leistungsvermögen entsprechen. Der Arbeitsmarkt gilt wiederum als verschlossen, wenn es weder der Arbeitsverwaltung noch dem Rentenversicherungsträger gelingt, dem Versicherten innerhalb 1 Jahres ab Rentenantragsstellung einen geeigneten Arbeitsplatz zu vermitteln. In diesem Fall erhält der Betroffene eine volle Erwerbsminderungsrente als Arbeitsmarktrente.
Hinzuverdienstgrenzen
Erhalten Versicherte neben einer Erwerbsminderungsrente noch Arbeitseinkommen oder vergleichbares Einkommen (z. B. Vorruhestandsgeld), kann die Rente gekürzt werden oder ganz wegfallen, wenn bestimmte Hinzuverdienstgrenzen überschritten werden.
Hinzuverdienst bei voller Erwerbsminderungsrente
Seit 2023 gilt eine Hinzuverdienstgrenze von 17.823,75 € im Jahr, die jährlich automatisch angepasst wird.
Hinzuverdienst bei teilweiser Erwerbsminderungsrente
Die jährliche Hinzuverdienstgrenze wird vom Rentenversicherungsträger individuell berechnet. Sie beträgt jedoch seit 2023 mindestens 35.647,50 € im Jahr.

Medizinische Voraussetzung für die teilweise Erwerbsminderungsrente ist, dass Dein berufliches Leistungsvermögen unter 6 Stunden täglich liegt. Wenn Du mehr arbeitest, könnte dein Rentenanspruch verloren gehen. Bevor Du eine Beschäftigung aufnimmst, solltest Du dich daher eingehend beim Rentenversicherungsträger informieren.
Ausführliche Informationen zu den Hinzuverdienstmöglichkeiten beim Bezug einer Erwerbsminderungsrente erhältst Du bei der Deutschen Rentenversicherung:
Befristungen von Erwerbsminderungsrenten
In der Regel sind Renten wegen Erwerbsminderung auf maximal 3 Jahre befristet. Endet die Befristung und der Gesundheitszustand hat sich nicht verbessert, kann die Rente wieder für maximal 3 Jahre verlängert werden.
Wenn Du deine Rente verlängern möchtest, solltest Du 4 Monate vor Ablauf der Befristung einen Weiterzahlungsantrag stellen!
Eine unbefristete Erwerbsminderungsrente wird nur dann gewährt, wenn aus medizinischer Sicht klar ersichtlich ist, dass das Leistungsvermögen nicht wiederhergestellt werden kann und eine Besserung des Gesundheitszustandes nicht zu erwarten ist. Hiervon kann auch nach einer Gesamtbefristung von 9 Jahren ausgegangen werden.
Rentenabschläge
Durch die Zurechnungszeit wird die Erwerbsminderungsrente wie eine Altersrente berechnet. Ebenso wie bei vorzeitigem Bezug einer Altersrente, wird auch die Erwerbsminderungsrente mit einem Abschlag belegt. Bis 2012 lag die Altersgrenze für die abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente beim vollendeten 63. Lebensjahr. Diese Altersgrenze für die abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente wird bis 2024 schrittweise auf das vollendete 65. Lebensjahr angehoben. Für jeden Monat Rentenbezug vor der geltenden Altersgrenze wird ein Abschlag von 0,3 % vorgenommen, jedoch höchstens 10,8 %.
Beginn der EM-Rente | Rente ohne Abschläge |
vor 2012 | 63 Jahre |
Januar 2012 | 63 Jahre 1 Monat |
Februar 2012 | 63 Jahre 2 Monate |
März 2012 | 63 Jahre 3 Monate |
April 2012 | 63 Jahre 4 Monate |
Mai 2012 | 63 Jahre 5 Monate |
Juni - Dezember 2012 | 63 Jahre 6 Monate |
2013 | 63 Jahre 7 Monate |
2014 | 63 Jahre 8 Monate |
2015 | 63 Jahre 9 Monate |
2016 | 63 Jahre 10 Monate |
2017 | 63 Jahre 11 Monate |
2018 | 64 Jahre |
2019 | 64 Jahre 2 Monate |
2020 | 64 Jahre 4 Monate |
2021 | 64 Jahre 6 Monate |
2022 | 64 Jahre 8 Monate |
2023 | 64 Jahre 10 Monate |
2024 | 65 Jahre |
Die Abschläge sind dauerhaft, bleiben also auch bei dem Bezug einer späteren Altersrente erhalten. Seit Anhebung der Regelaltersgrenze steigt damit auch schrittweise die Grenze für den Bezug einer abschlagsfreien Erwerbsminderungsrente.
Finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten in der Übergangszeit
Wenn das Krankengeld eines Patienten ausläuft und er eine Erwerbsminderungsrente beantragt hat, über die noch nicht entschieden wurde, kann er bei der Agentur für Arbeit einen Antrag auf Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit stellen. Es handelt sich dabei um eine Sonderform des Arbeitslosengeldes. Mit dieser sogenannten Nahtlosigkeit-Regelung soll verhindert werden, dass zwischen dem Auslaufen des Krankengeldes und dem Rentenbeginn eine finanzielle Lücke entsteht.
Nutze die Möglichkeit, dich bei der Beantragung der Erwerbsminderung unterstützen zu lassen. Dies ist entweder möglich in einer der Filialen der Deutschen Rentenversicherung oder - meist näher am Wohnort - bei einem Versichertenberater/-ältesten.
Die nächstgelegende Beratungsmöglichkeit findest Du unter:
www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Beratung-und-Kontakt/beratung-und-kontakt_node.html
Anlaufstellen und weitere Informationen
Beratung und Informationen erhältst Du bei der Deutschen Rentenversicherung:
www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Navigation/0_Home/home_node.html