Zuletzt aktualisiert am 20. Dezember 2021
Grad der Behinderung bei ADHS
Ab einem gewissen Schweregrad der ADHS1-Symptome können Betroffene dauerhaft gesundheitlich und sozial eingeschränkt sein. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie daher beim zuständigen Versorgungsamt einen Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) stellen.
Eine Behinderung im Sinne des Gesetzes liegt vor, „wenn die körperliche Funktion, die geistige Fähigkeit oder die seelische Gesundheit eines Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“ (§ 2 SGB IX). Je nach GdB, der dem Betroffenen zuerkannt wird, hat er Anspruch auf verschiedene Rechte und Vergünstigungen. Auf diese Weise sollen Benachteiligungen, zumindest teilweise, durch die Gewährung von Nachteilsausgleichen kompensiert werden.
Da ADHS eine auf den ersten Blick nicht sichtbare Störung ist, kann ein GdB zu einer verständnisvolleren Haltung des Umfelds beitragen. Kinder und Jugendliche können z. B. in Kita oder Schule individuelle Fördermaßnahmen oder Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a SGB VIII erhalten.
Grad der Behinderung / Grad der Störungsfolgen bei ADHS
Einen Antrag auf Feststellung eines GdB können Betroffene beim zuständigen Versorgungsamt stellen. Es richtet sich bei der Vergabe nach den Vorgaben der „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“. Darin wird der so genannte GdS, der Grad der Schädigungsfolgen, erläutert. Der GdS bezieht sich auf die Schädigungsfolgen, der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache.
Bei einer ADHS gelten folgende Anhaltswerte:2
Hyperkinetische Störungen und Aufmerksamkeitsstörungen ohne Hyperaktivität |
|
Ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten liegt keine Teilhabebeeinträchtigung vor |
|
Bei sozialen Anpassungsschwierigkeiten |
GdB/GdS |
ohne Auswirkung auf die Integrationsfähigkeit |
10 – 20 |
mit Auswirkungen auf die Integrationsfähigkeit in mehreren Lebensbereichen (wie zum Beispiel Regel-Kindergarten, Regel-Schule, allgemeiner Arbeitsmarkt, öffentliches Leben, häusliches Leben) oder wenn die Betroffenen über das dem jeweiligen Alter entsprechenden Maß beaufsichtigt werden müssen |
30 – 40 |
mit Auswirkungen, welche die Integration in Lebensbereiche nicht ohne umfassende Unterstützung oder umfassende Beaufsichtigung ermöglichen |
50 – 70 |
mit Auswirkungen, welche die Integration in Lebensbereiche auch mit umfassender Unterstützung nicht ermöglichen |
80 – 100 |
Ab dem Alter von 25 Jahren |
regelhaft nicht mehr als 50 |
Liegen mehrere Funktionsstörungen vor, so werden die einzelnen GdB-Werte nicht addiert, sondern die Auswirkungen dieser Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit betrachtet und daraus ein Gesamt-GdB berechnet.
Eine Behinderung liegt bei einem GdB von mindestens 20 vor, eine Schwerbehinderung ab einem GdB von 50. Ein Schwerbehindertenausweis wird ab einem GdB von 50 ausgestellt. Eine Gleichstellung durch die Bundesagentur für Arbeit ist auf Antrag des Betroffenen ab einem GdB von 30 möglich, sofern er aufgrund der Behinderung keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen oder behalten kann.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) stellt einen Ratgeber zum Thema „Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf“ mit Informationen zu finanziellen Förderungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Verfügung. Dieser ist kostenfrei als PDF auf der Internetseite der BIH unter www.integrationsaemter.de/publikationen/65c1347i/index.html abrufbar.
Unter bestimmten Umständen können Patienten bei Vorliegen einer Schwerbehinderung zusätzlich ein Merkzeichen beantragen. Je nach Merkzeichen sind diese mit unterschiedlichen Nachteilsausgleichen wie z.B. Ermäßigungen bei öffentlichen Verkehrsmitteln verbunden.
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1Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in dieser Broschüre für die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung die Abkürzung ADHS verwendet, obgleich natürlich auch Ausprägungen der Störung ohne Hyperaktivität (H) existieren.
2Eigene Darstellung in Anlehnung an: „Versorgungsmedizinische-Verordnung. Versorgungsmedizinische Grundsätze“. Bundeministerium für Arbeit und Soziales, 2015, S. 42 f.