Zuletzt aktualisiert am 30. Januar 2023

Pflegezeit

(Pflegezeitgesetz)

Nicht immer entwickelt sich Pflegebedürftigkeit schleichend. Gerade bei älteren Menschen führt häufig ein akutes Ereignis wie ein Schlaganfall oder ein Sturz zu einer plötzlichen Pflegebedürftigkeit. Sobald die Krankenhausentlassung ansteht, müssen sich die Angehörigen Gedanken machen, wie die häusliche Pflege geregelt werden soll.

Berufstätige Angehörige können sich für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen für maximal 6 Monate teilweise oder vollständig von der Arbeit freistellen lassen, um die häusliche Versorgung zu organisieren oder sicherzustellen. Eine Stückelung auf mehrere Teilzeitabschnitte ist nicht möglich.

Voraussetzungen

  • die Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen ist durch die Pflegekasse bzw. durch den Medizinischen Dienst (MD) bestätigt worden. Bei Patienten in einer privaten Pflegeversicherung wird ebenfalls ein entsprechender Nachweis benötigt
  • die Pflegezeit und ihre geplante Dauer müssen mindestens 10 Tage vor Beginn beim Arbeitgeber schriftlich beantragt werden
  • die Aufteilung und Verringerung der Arbeitszeit muss schriftlich vereinbart werden, sofern eine teilweise Freistellung beantragt wird

Was sind "nahe Angehörige"?

Pflegezeit kann für folgende Angehörige beantragt werden:

  • Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern
  • Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Schwägerinnen und Schwäger
  • eigene Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder oder die Kinder-, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwieger- und Enkelkinder

Rechtsanspruch und Kündigungsschutz

Ein Rechtsanspruch auf Pflegezeit kann in Betrieben geltend gemacht werden, die mindestens 16 Mitarbeiter (inklusive Auszubildende) beschäftigen. In Kleinbetrieben mit 15 oder weniger Beschäftigten besteht zwar kein Rechtsanspruch, allerdings sind Arbeitgeber seit 01.01.23 dazu verpflichtet, innerhalb von 4 Wochen nach Zugang, den Antrag der Beschäftigten auf Pflegezeit zu beantworten und im Fall der Ablehnung zu begründen.

Ebenfalls besteht für die Betroffenen seit Anfang 2023 vom Beginn bis zum Ende der Pflegezeit ein besonderer Kündigungsschutz.

Der Rechtsanspruch auf Pflegezeit besteht auch:

  • zur Begleitung naher Angehöriger in der letzten Lebensphase. Selbst wenn sich der Pflegebedürftige in einem Hospiz befindet, können Angehörige ihre Beschäftigung für 3 Monate teilweise oder ganz unterbrechen
  • für Angehörige eines pflegebedürftigen Kindes, welches außerhäuslich (z.B. im Krankenhaus) betreut wird 

Kurzzeitige Arbeitsfreistellung

Wird ein naher Angehöriger plötzlich pflegebedürftig, gilt es seine Pflege sicherzustellen und viele weitere Angelegenheiten zu regeln. Arbeitnehmer haben zu diesem Zweck das Recht, bis zu 10 Arbeitstage von der Arbeit freigestellt zu werden.

Dieser Anspruch ist im Gegensatz zu Pflegezeit und Familienpflegezeit unabhängig von der Betriebsgröße.

Sonderform Corona-Pandemie

Bis zum 30.04.2023 können Beschäftigte (Pflegepersonen) bis zu 20 Arbeitstage von der Arbeit freigestellt werden und für diese Zeit Pflegeunterstützungsgeld (s.u.) erhalten, wenn sie

  • glaubhaft darlegen wird, dass sie die Pflege auf Grund der Corona-Pandemie übernehmen,
  • die Voraussetzungen zum Pflegeunterstützungsgeld vorliegen (s.u.) und
  • die häusliche Pflege nicht anders sichergestellt werden kann.

Der Beschäftigte (Pflegeperson) muss den Arbeitgeber unverzüglich über seine Verhinderung und deren voraussichtliche Dauer informieren. Der Arbeitgeber darf einen ärztlichen Nachweis verlangen, der die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen belegt.

Absicherung des Lebensunterhalts während der Pflegezeit

Pflegeunterstützungsgeld

Pflegende Beschäftigte können zu ihrer finanziellen Absicherung unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung Pflegeunterstützungsgeld bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen beantragen.

Voraussetzungen

  • der Arbeitgeber zahlt keine Entgeltfortzahlung
  • der Arbeitnehmer (i.S. der Pflegeperson) erhält weder Kinderkrankenpflegegeld von der Krankenkasse noch Kinderverletztengeld von der Unfallversicherung 

Höhe des Pflegeunterstützungsgeldes

Das Brutto-Pflegeunterstützungsgeld beträgt 90 % des ausgefallenen Nettoarbeitsentgeltes maximal allerdings 70 % der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze (maximal 116,38 € täglich).

Während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung bleibt der Versicherungsschutz in den Sozialversicherungsbereichen bestehen. Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung werden jeweils hälftig von der Pflegeperson und von der Pflegekasse oder einer privaten Pflegeversicherung getragen (§ 249 c Satz 1 SGB V).
Die Pflegepersonen sind während der Pflegetätigkeiten und bei allen Tätigkeiten und Wegen, die mit der Pflege unmittelbar zusammenhängen, gesetzlich unfallversichert.

Wichtig: Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld haben auch geringfügig Beschäftigte mit einem Einkommen bis zu 450 € monatlich. Sozialversicherungsbeiträge übernimmt die Pflegekasse bzw. eine private Pflegeversicherung (§ 249 c Satz 2 SGB V). 

Zinsloses Darlehen

Während der Pflegezeit gibt es keinen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung. Zur Absicherung ihres Lebensunterhaltes haben Pflegepersonen einen Rechtsanspruch auf ein zinsloses Darlehen. Dieses kann beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) beantragt werden.

Das Darlehen wird in monatlichen Raten ausbezahlt und muss nach dem Ende der Pflegezeit in Raten zurückgezahlt werden. In Härtefällen kann die Darlehensrückzahlung gestundet, teilweise oder vollständig erlassen werden.

Höhe des Darlehens

In der Regel beträgt die Höhe des Darlehens 50 % des durch die Arbeitsreduzierung fehlenden  Nettogehalts. Auf Antrag kann ein geringeres Darlehen gewährt werden, wobei die Mindesthöhe bei 50 € monatlich liegt.

Dauer

Die Pflegezeit beträgt für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen maximal 6 Monate. Die Pflegezeit kann nur einmal zusammenhängend in Anspruch genommen werden und nicht in mehreren getrennten Teilabschnitten.

Verkürzte oder verlängerte Pflegezeit

Wenn keine Pflegebedürftigkeit mehr vorliegt, der nahe Angehörige verstirbt, ins Pflegeheim zieht oder wenn die häusliche Pflege unmöglich oder unzumutbar ist, endet die Pflegezeit 4 Wochen nach Eintritt der jeweiligen Situation. Der Arbeitgeber ist umgehend zu informieren. Die Pflegezeit kann nur dann beendet werden, wenn der Arbeitgeber sein Einverständnis dazu gibt. Ist dies nicht der Fall, endet die Pflegezeit zum vereinbarten Zeitpunkt.

Wurde eine Pflegezeit unter 6 Monaten vereinbart, können Arbeitnehmer diese bis zur Höchstdauer verlängern, wenn ein geplanter Wechsel der Betreuungsperson aus einem wichtigen Grund nicht möglich ist. Die Verlängerung ist abhängig von der Zustimmung des Arbeitgebers.

Kombination von Freistellungsansprüchen

Freistellungsansprüche nach dem Pflegezeit- und Familienpflegezeit können miteinander kombiniert werden, wobei insgesamt ein Maximalanspruch von 24 Monaten Freistellung besteht. Eine Verknüpfung der beiden Freistellungsmöglichkeiten ist nur möglich, wenn die jeweils erforderliche Unternehmensgröße vorhanden ist und wenn die beiden Freistellungen nahtlos aufeinander folgen.

Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen

Bei beitragspflichtigen Pflegepersonen, die nur eine kurzzeitige Arbeitsfreistellung nach dem Pflegezeitgesetz geltend machen oder die eine teilweise Arbeitsfreistellung beanspruchen, ändert sich der sozialversicherungsrechtliche Status nicht.

Beschäftigte, die sich vollständig von der Arbeit befreien lassen, sind während der Pflegezeit nicht mehr über ihr Arbeitnehmerverhältnis versichert. Sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, zahlt die Pflegekasse des Pflegebedürftigen Beiträge in die Rentenversicherung ein (siehe: Soziale Sicherung der Pflegeperson). Die Beiträge werden allerdings nur bezahlt, wenn die zu pflegende Person mindestens Pflegegrad 2 besitzt. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung übernimmt die Pflegekasse, wenn unmittelbar vor Beginn der Pflegezeit Versicherungspflicht bestand.

Bezüglich der Kranken- und Pflegeversicherung sollte die Pflegeperson prüfen, ob eine kostenfreie Familienversicherung über ein Familienmitglied möglich ist. Falls nicht, muss sich der Betroffene entweder freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse oder bei einer privaten Krankenversicherung versichern. Hierfür können auf Antrag Zuschüsse gewährt werden.

Während der pflegerischen Tätigkeit besteht Unfallversicherungsschutz für alle Unfälle die in Ausübung jener Tätigkeit entstehen; die Beiträge übernimmt die Gemeinde.

Anlaufstellen und weitere Informationen

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterhält ein Informationsportal und ein Servicetelefon. Beide liefern Informationen und beantworten Fragen zur Pflegezeit.

www.wege-zur-pflege.de/startseite.html

Servicetelefon Pflege:  030 - 201 791 31, Montag bis Donnerstag 9 - 18 Uhr

Weitere Informationen findest Du auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:

www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsrecht/arbeitsrecht.html

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