Zuletzt aktualisiert am 20. Dezember 2021
Rehabilitationsmöglichkeiten bei Angststörungen
Mit rehabilitativen Maßnahmen sollen die Einschränkungen, unter denen Menschen im körperlichen, geistigen und sozialen Bereich leiden, reduziert oder bestenfalls aufgehoben werden. Ziel ist es, den Betroffenen zu befähigen, (wieder) ein selbstständiges Leben zu führen und beruflich aktiv zu bleiben.
Angststörungen wirken sich teilweise erheblich auf die Aktivitäten des Alltags- und Berufslebens aus. Vor allem generalisierte Angststörungen und Panikstörungen können die Erwerbsfähigkeit nachhaltig mindern. Spezifische Phobien sind meist mit geringeren Beeinträchtigungen verbunden. Bei einer Agora- oder sozialen Phobie sind Betroffene häufig in ihrer Teilhabe am sozialen Leben eingeschränkt, da die Angstsymptome bei entsprechender Ausprägung zu sozialer Isolation führen können.
Die stationären oder ganztägig ambulanten Behandlungen werden vorrangig im Auftrag der Rentenversicherungsträger durchgeführt. Diese prüfen nach Erhalt eines Antrags auf Rehabilitation stets nach dem Grundsatz „Reha vor Rente“. Indem mögliche Reha-Maßnahmen ausgeschöpft werden, soll ein vorzeitiger Renteneintritt verhindert oder verzögert werden. Bei Patienten mit Angststörungen ist Rehabilitation besonders sinnvoll, da beispielsweise bei dem Bezug einer Erwerbsminderungsrente das Risiko einer Chronifizierung der Ängste durch die Distanzierung von den Anforderungen eines Arbeitsalltags besteht.1
Medizinische Rehabilitation
Wenn die Angststörung akutmedizinisch, z. B. durch eine ambulante Psychotherapie, nicht ausreichend behandelt werden konnte, eine Chronifizierung der Erkrankung droht und die Angstsymptome zu einer erheblichen Beeinträchtigung in Alltag und Beruf führen, können Patienten Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation in Anspruch nehmen. Dadurch sollen sie bei ihrer Krankheitsbewältigung und Teilhabe am Arbeitsund Gesellschaftsleben unterstützt werden.
Voraussetzungen
Vor Beginn einer Rehamaßnahme müssen alle ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein. Rehabilitationsbehandlungen werden auf Antrag gewährt. Dem Antrag müssen ärztliche Gutachten beigefügt werden, aus denen die Behandlungsgründe und -ziele hervorgehen. Damit die Maßnahme genehmigt wird, muss eine ausreichende Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und eine positive Rehabilitationsprognose vorliegen.2
Maßnahmen
Während der Rehabilitation kommen verschiedene medizinische, psychologische und pädagogische Verfahren in Kombination mit geeigneten Heilmitteltherapien zum Einsatz. Dazu gehören:
- Psychotherapeutische Behandlungen (vor allem Gruppensitzungen, ergänzend Einzeltherapie)
- Gegebenenfalls ärztliche Behandlung einschließlich Medikation
- Psychoedukation
- Sport- und Bewegungstherapie
- Ergänzend: Ergotherapie, Krankengymnastik, Sozialarbeit
Zusätzlich werden während der Maßnahme mögliche Funktions-, Aktivitäts- und Teilhabestörungen diagnostiziert. Am Ende der Rehabilitation erfolgt eine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung.
Dauer
Die Regeldauer einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen ist auf 20 Behandlungstage festgesetzt, die einer stationären auf längstens 3 Wochen. Eine Verlängerung ist aus medizinischen Gründen möglich. Im Einzelfall legt der Kostenträger die Dauer fest. Unter Umständen wird ein längerer Zeitraum schon vor Beginn der Rehabilitation oder während ihres Verlaufs vereinbart.
Kostenträger
Für eine medizinische Rehabilitation kommen fast alle Rehabilitationsträger als Kostenträger in Betracht. Welcher Leistungsträger in welchem Fall zuständig ist, wird individuell ermittelt und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ist beispielsweise die Teilhabe am Erwerbsleben gefährdet, da der Patient aufgrund seiner Angststörung über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig war, leistet oft die gesetzliche Rentenversicherung. Ist die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bzw. der Selbstständigkeit durch die Erkrankung beeinträchtigt, ist in der Regel die Krankenversicherung zuständig.
Antragstellung
Eine medizinische (und auch berufliche) Rehabilitation wird vom behandelnden Arzt verordnet und muss beim zuständigen Kostenträger beantragt werden. Bei welchem Leistungsträger der Antrag gestellt wird, ist zunächst unerheblich. Erst nach Eingang des Rehabilitationsantrags, klären die Kostenträger die Zuständigkeit untereinander ab. Soweit erforderlich wird der Antrag binnen 14 Tagen an den zuständigen Kostenträger weitergereicht.
Im Reha-Antrag können Patienten einen Wunschort oder eine Wunschregion angeben. Wenn dort das Rehabilitationsziel ebenso wirtschaftlich erreicht werden kann wie an einem anderen Ort, wird dies so weit möglich berücksichtigt.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Berufliche Rehabilitation) Menschen mit Angststörungen können unter Umständen Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben in Anspruch nehmen. Mit den erforderlichen Maßnahmen soll ihre Erwerbsfähigkeit entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit erhalten, verbessert,ermöglicht oder wiederhergestellt werden. Grundsätzlich sind die Möglichkeiten zur Anpassung des bestehenden Arbeitsplatzes oder auch einer betriebsinternen Umsetzung vorrangig zu prüfen.
Voraussetzungen
Bevor eine Leistung zur Teilhabe beginnt, wird sorgfältig geprüft, ob eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt prognostisch möglich erscheint. Trifft dies nicht zu, ist von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit auszugehen und der Kostenträger wird stattdessen eine Umdeutung des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI prüfen.3
Die Empfehlung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben orientiert sich daran, ob eine Rückkehr in den bisherigen Beruf möglich ist oder die Tätigkeit in einem anderen Berufsfeld angestrebt werden muss. Falls Letzteres erforderlich ist, muss geklärt werden, welche berufliche Tätigkeit mit welchem Qualifikationsniveau unter Berücksichtigung von Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit im Einzelfall geeignet erscheint. Für die Rehabilitationsplanung spielen zudem individuelle Fähigkeitsstörungen, Ressourcen, die Belastbarkeit für Schulungsmaßnahmen und die Einhaltung eines sinnvollen zeitlichen Rahmens eine Rolle.
Maßnahmen
Bei an Angststörungen erkrankten Arbeitnehmern mit positiver Rehabilitationsprognose kommt die Möglichkeit zur beruflichen Weiterbildung oder Umschulung auf einen neuen Beruf in Betracht. Arbeitgeber können z. B. Ausbildungs- und Eingliederungszuschüsse, Zuschüsse für Arbeitshilfen sowie teilweise oder volle Kostenerstattung für Probebeschäftigung erhalten.
Kostenträger Als Kostenträger dieser Hilfen kommen diverse Sozialleistungsträger infrage, z. B. Rentenversicherung, Agentur für Arbeit, Jugendamt oder das Sozialamt. Welche Stelle zuständig ist, ergibt sich aus der individuellen Situation des Betroffenen.
Die Bundesagentur für Arbeit hält ein Merkblatt zum Thema „Teilhabe am Arbeitsleben“ bereit. Online abrufbar unter: http://bit.ly/Merkblatt_Teilhabe
Finanzielle Leistungen während der Rehabilitation
Um Patienten die Entscheidung für eine (ganztägig ambulante/stationäre) Therapie zu erleichtern, hat der Gesetzgeber neben der Übernahme der Behandlungskosten, weitere Regelungen zur finanziellen Sicherung und Unterstützung getroffen.
Lohnfortzahlung (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz)
Wird ein Arbeitnehmer krank oder beginnt eine stationäre Therapie, so hat er zunächst Anspruch auf 6 Wochen Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber. Danach erhalten Arbeitnehmer in der Regel Krankengeld von der Krankenkasse oder, falls bereits eine stationäre oder ganztägig ambulante Rehabilitationsmaßnahme begonnen wurde, Übergangsgeld vom Rentenversicherungsträger.
Krankengeld
Das Krankengeld ist eine Lohnersatzleistung, d. h. es wird nur gezahlt, wenn nach 6 Wochen kein Anspruch mehr auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber besteht.
Übergangsgeld
Das Übergangsgeld ist eine Lohnersatzleistung der Rentenversicherung, die für die gesamte Dauer der Rehabilitationsmaßnahme gezahlt werden kann. Voraussetzung ist, dass unmittelbar
vor Beginn der Maßnahme Arbeitseinkommen erzielt wurde oder eine andere Lohnersatzleistung geleistet wurde, deren Berechnung ein Arbeitseinkommen zugrunde liegt. Dies kann zum Beispiel Arbeitslosengeld oder Krankengeld sein. Außerdem müssen Betroffene im sog. Bemessungszeitraum Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben.
Verletztengeld
Das Verletztengeld ist eine Lohnersatzleistung der Unfallversicherung: Voraussetzung ist u. a. dass die Betroffenen aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit arbeitsunfähig sind. Es ist eine ähnliche Leistung wie das Krankengeld der Krankenkasse. Grundsicherung und Hilfe zum Lebensunterhalt Empfänger von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) erhalten auch während der Rehabilitationsmaßnahme diese Leistung von ihrem zuständigen Jobcenter. Der Träger der Grundsicherung sollte aber darüber informiert sein, dass der Patient dem Arbeitsmarkt in dieser Zeit nicht zur Verfügung steht.
Hinweis: Auch der Anspruch auf Sozialhilfe/Hilfe zum Lebensunterhalt und Erwerbsminderungsrente ändert sich während der Rehabilitationsmaßnahme nicht. Zusätzliche Leistungen Unabhängig davon, ob Menschen mit Angststörung Lohnfortzahlung oder Leistungen des Lebensunterhalts erhalten, werden von dem jeweiligen Kostenträger der Rehabilitationsmaßnahme bei Bedarf weitere Aufwendungen übernommen, u. a:
- Die Reisekosten zur An- und Abreise zur stationären Entwöhnung
- Reisekosten für Familienheimfahrten oder Besuche von Angehörigen
- Haushaltshilfe, insbesondere um die Versorgung von Kindern sicherzustellen
- Kosten für notwendige Begleitpersonen

Weitere Artikel im neuraxWiki:
Therapieoptionen bei Angststörungen
Quellen
1„Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung. Sozialmedizinische Beurteilung bei psychischen und Verhaltensstörungen.“ Deutsche Rentenversicherung, 2018. S. 132. Abgerufen unter: www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Infos-fuer-Aerzte/Begutachtung/begutachtung.html
2 Eine Erläuterung der Begriffe finden Interessierte im neuraxWiki Hauptratgeber Sozialrecht Kapitel „Leistungen zur Rehabilitation“
3 „Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftigkeit für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“. Deutsche Rentenversicherung Bund, 2005. S. 24.