Zuletzt aktualisiert am 15. Mai 2022

Rehabilitationsmöglichkeiten bei Autismus

Mit rehabilitativen Maßnahmen sollen die Einschränkungen, unter denen Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung im körperlichen, geistigen und sozialen Bereich leiden, reduziert oder bestenfalls aufgehoben werden. Ziel ist es, sie zu befähigen, ein selbstständiges Leben zu führen und beruflich aktiv zu sein.

Rehabilitation für Kinder und Jugendliche

Für Kinder und Jugendliche mit einer ASS ist die Kinder- bzw. Jugendrehabilitation (Reha) ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung. Mithilfe der Reha-Maßnahmen lernen sie, besser mit ihrer Störung umzugehen. 

Voraussetzungen

Eine Kinder- oder Jugendreha ist dann angebracht, wenn das Kind bzw. der Jugendliche erheblich erkrankt ist, aber die Chance besteht, dass die Gesundheit durch die Maßnahme wesentlich gebessert oder wiederhergestellt kann. Somit kann die Chance auf einen Schul- bzw. Ausbildungsabschluss erhöht werden.

Ferner müssen bei den Betroffenen die persönlichen Voraussetzungen für eine Reha-Maßnahme vorliegen und seitens der Eltern die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Deutschen Rentenversicherung erfüllt sein.

Altersgrenze

Eine Kinder- bzw. Jugendreha ist ab Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres möglich. In Ausnahmefällen kann der Anspruchszeitraum auch bis zum 27. Lebensjahr erweitert werden, z. B. wenn der Betroffene sich noch in einer Ausbildung befindet, ein freiwilliges soziales / ökologisches Jahr oder den Bundesfreiwilligendienst absolviert oder eine Schwerbehinderung festgestellt wurde.

Dauer

Die Reha-Maßnahme findet in einer speziell dafür vorgesehenen Reha-Einrichtung statt. Die Maßnahme wird stationär durchgeführt und dauert in der Regel 4 Wochen. Wenn es medizinisch notwendig erscheint, kann sie auch verlängert werden. Die Maßnahmen erfolgen multidisziplinär auf Basis eines individuellen Therapieplans. Zwischen 2 bezuschussten Reha-Maßnahmen muss in der Regel ein Zeitraum von 4 Jahren liegen.

Kosten

In der Regel übernimmt die Deutsche Rentenversicherung alle Kosten der Reha-Maßnahme inklusive Verpflegung und Unterkunft des Kindes, Reisekosten sowie Aufwendungen für eine evtl. erforderliche Begleitperson. Zuzahlungen fallen nicht an!

Familienrehabilitation

Sind in einer Familie sowohl Kinder als auch Erwachsene behandlungsbedürftig, können sie unter Umständen eine familienorientierte Reha in einer Fachklinik in Anspruch nehmen.

Zielsetzung

Eine Familien-Reha richtet sich an Menschen mit chronischen psychosomatischen Erkrankungen. Da die Krankheitsbilder meist sehr komplex sind, ist zur Erreichung des Reha-Zieles die therapeutische Einbindung der Familienmitglieder erforderlich.

Dauer

Kinder bis 16 Jahre können eine Familien-Reha zusammen mit ihren Eltern bzw. Betreuungspersonen machen. Die Maßnahme dauert in der Regel 4 Wochen und wird stationär durchgeführt. Sofern erforderlich können auch nicht erkrankte Geschwisterkinder mit aufgenommen werden. Zwischen 2 bezuschussten Reha-Maßnahmen muss in der Regel ein Zeitraum von 4 Jahren liegen.

Bis 16 Jahre kommt eine Familien-Reha in Frage
Bis 16 Jahre kommt eine Familien-Reha in Frage

Antragstellung

Für Kinder und Erwachsene müssen Betroffene jeweils einen separaten Antrag auf Reha-Leistungen beim Kostenträger stellen. Die Maßnahmen werden dann zeitgleich durchgeführt, die Familienmitglieder werden aber individuell, entsprechend ihrer Indikation behandelt. Zusätzlich finden Eltern-Kind-Therapieangebote statt.

Zuzahlungen

Ab Vollendung des 18. Lebensjahres müssen Rehabilitanden eine Zuzahlung von 10 € pro Tag leisten. Bei Inanspruchnahme einer Krankenhaus- oder Anschlussheilbehandlung (AHB) über die Krankenkasse sind die Zuzahlungen auf längstens 28 Tage begrenzt, bei ambulanten oder stationären Reha-Leistungen der Krankenkasse ist eine Zuzahlung von 10 € pro Tag ohne zeitliche Begrenzung zu leisten.
Bei AHB-Leistungen der Rentenversicherung ist die Zuzahlung von 10 € pro Tag auf 14 Tage beschränkt; bei stationären Reha-Leistungen der Rentenversicherung ist die Zuzahlung von 10 € pro Tag auf 42 Tage pro Kalenderjahr begrenzt. Unter Umständen ist auch eine Zuzahlungsbefreiung möglich. Kinder sind von der Zuzahlung befreit.

Hinweis: Weiterführende Auskünfte zur Familienrehabilitation gibt es bei den gesetzlichen Krankenkassen oder der Deutschen Rentenversicherung.

Medizinische Vorsorge für Mütter und Väter

Erziehungsberechtigte von Kindern mit einer ASS sind im Alltag oftmals stark belastet. Aus diesem Grund haben sie ein besonderes Anrecht auf medizinische Vorsorge. Diese wird für Mütter und Väter in der Regel in Form von Mutter/Vater-Kind-Kuren in speziellen Einrichtungen erbracht.

Zielsetzung

Durch eine Mutter/Vater-Kind-Kur werden Mütter und Väter, deren Gesundheit aufgrund von Mehrfachbelastungen, z. B. durch Beruf und Familie, sowie Schwierigkeiten bei der Erziehung eines Kindes mit einer ASS in Gefahr ist oder die bereits an psychosomatischen Erkrankungen leiden, unterstützt.

Voraussetzungen

Betroffene, die eine Mutter/Vater-Kind-Kur in Anspruch nehmen wollen, müssen diese im Vorfeld beim Kostenträger – in aller Regel bei der Krankenversicherung – beantragen. Bei medizinischer Notwendigkeit und bei Vorsorgebedarf und Vorsorgefähigkeit wird die Maßnahme von der Krankenkasse genehmigt. 

Vorsorgebedarf bei einer ASS besteht, wenn die Alltagsaktivitäten durch die Störung in besonderem Maße behindert werden, die ambulante Behandlung nicht ausreicht und stattdessen ein komplexer, interdisziplinärer Behandlungsansatz erforderlich ist.

Vorsorge-/Rehabilitationsfähigkeit bedeutet, dass der Antragsteller körperlich und psychisch ausreichend belastbar ist, um die Maßnahme in Anspruch nehmen zu können.

Der Antragsteller muss außerdem mit der aktuellen Erziehungsverantwortung betraut sein. Das kann z. B. bei leiblichen Kindern, Stiefkindern, Pflegekindern, adoptierten Kindern, Enkelkindern und Kindern aus sogenannten Patchworkfamilien bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der Fall sein. Für im Haushalt lebende, behinderte Kinder über 18 Jahre kann die Erziehungsverantwortung noch darüber hinausgehen.  
 

Wichtig

Der Grundsatz "ambulant vor stationär", der bei der allgemeinen medizinischen Reha gilt, greift hier nicht. Die Leistung kann nur stationär erbracht werden.

Dauer

Die medizinische Vorsorge für Mütter und Väter dauert in der Regel 3 Wochen (21 Tage) und kann aus medizinischen Gründen verlängert werden. Eine Wiederholung der Mutter/Vater-Kind-Kur kommt frühestens nach 4 Jahren in Frage, es sei denn sie ist aus medizinischen Gründen dringend früher notwendig.

Kostenträger

Für die medizinische Vorsorge ist die Krankenkasse zuständig. Der Rentenversicherungsträger erbringt grundsätzlich keine Mutter/Vater-Kind Maßnahmen.

Zuzahlung

Ab Vollendung des 18. Lebensjahres müssen Betroffene eine Zuzahlung von 10 € pro Tag leisten, sofern sie die Voraussetzungen für eine Zuzahlungsbefreiung nicht erfüllen. An- und Abreisetag werden als 1 Tag gezählt.

Wunsch- und Wahlrecht

Die Maßnahme sollte in einer speziell dafür vorgesehenen Einrichtung des Müttergenesungswerks oder ähnlichen Einrichtungen erfolgen, mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 111 a SGB V besteht. Die Krankenkassen belegen vorrangig ihre Vertragshäuser. Versicherte haben aber das Wunsch- und Wahlrecht, das die Krankenkassen in angemessenem Umfang, sofern die Einrichtung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist, berücksichtigen müssen. Die Kliniken haben sehr häufig Schwerpunkte wie z. B. die Betreuung von Kleinstkindern, Alleinerziehenden oder Müttern mit pflegenden Angehörigen. Entspricht die Krankenkasse dem Wunsch des Antragstellers nicht, muss sie dies begründen. Gegen einen grundsätzlich ablehnenden Bescheid können Betroffene Widerspruch einlegen.
 


Hinweis: Für den Aufenthalt müssen schulpflichtige Kinder vom Unterricht freigestellt werden. Innerhalb der Mutter/Vater-Kind-Einrichtungen können sie aber an verschiedenen Arten schulischer Betreuung teilnehmen.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Berufliche Rehabilitation)

Im späteren Arbeitsleben können Menschen mit einer ASS unter Umständen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Anspruch nehmen. Mit diesen Maßnahmen soll ihre Erwerbsfähigkeit entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit erhalten, verbessert, ermöglicht oder wiederhergestellt werden.

Voraussetzungen

Bevor eine Leistung zur Teilhabe beginnt, wird sorgfältig geprüft, ob eine Eingliederung in das Erwerbsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt prognostisch möglich erscheint oder ob eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen besser geeignet wäre. In letzterem Fall ist von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit auszugehen und der Kostenträger wird stattdessen eine Umdeutung des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI prüfen.1

Hinweis: Weitere Informationen zur Erwerbsminderungsrente gibt es im neuraxWiki Hauptratgeber Sozialrecht Kapitel „Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung“.

Die Empfehlung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben orientiert sich an Eignung, Neigung, der bisherigen Tätigkeit des Betreffenden sowie der Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Für die Reha-Planung spielen zudem individuelle Fähigkeitsstörungen, Ressourcen, die jeweilige Belastbarkeit für Schulungsmaßnahmen und die Einhaltung eines sinnvollen zeitlichen Rahmens eine Rolle.

Maßnahmen

Für autistische Arbeitnehmer mit positiver Rehabilitationsprognose kommt die Möglichkeit zur beruflichen (Weiter)-Bildung oder Umschulung auf einen neuen Beruf in Betracht. Arbeitgeber können z. B. Ausbildungs- und Eingliederungszuschüsse, Zuschüsse für Arbeitshilfen sowie teilweise oder volle Kostenerstattung für Probebeschäftigung erhalten.

Im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben sind insbesondere folgende Leistungen möglich:

  • Berufsvorbereitung einschließlich einer erforderlichen Grundausbildung
  • Berufliche Bildung
    • ​z. B. Aus- und Weiterbildung (gegebenenfalls in Berufsbildungs- bzw. Berufsförderungswerken), spezielle Qualifizierungs- und Integrationsmaßnahmen
  • Individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen der sogenannten unterstützten Beschäftigung
  • Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes
    • z. B. Beratung und Vermittlung, Trainingsmaßnahmen, Kraftfahrzeughilfe, Arbeitsassistenz, Kosten für Hilfsmittel, technische Arbeitshilfen, behinderungsgerechter Wohnraum, Fahrtkosten- und Umzugskostenbeihilfe
  • Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit

Kostenträger

Als Kostenträger dieser Hilfen kommen diverse Sozialleistungsträger infrage, z. B. Rentenversicherung, Agentur für Arbeit, Jugendamt oder das Sozialamt. Welche Stelle letztlich zuständig ist, ergibt sich aus der individuellen Situation des Betroffenen.
 

Weitere relevante Artikel im neuraxWiki:

Autismus

Therapiemöglichkeiten bei Autismus

Autismus Diagnostik

Grad der Behinderung bei Autismus

Pflegebedürftigkeit bei Autismus

 


1 „Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftigkeit für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“. Deutsche Rentenversicherung Bund, 2005; S. 24.

 

 

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