Zuletzt aktualisiert am 13. September 2022
Sozialmedizinische Nachsorge
(§§ 43 Abs. 2, 132c SGB V)
Wenn ein chronisch oder schwerstkrankes Kind aus dem Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung entlassen wird, sind Eltern und Betreuungspersonen mit seiner Versorgung in der häuslichen Umgebung oftmals überfordert. Um Betroffene zu unterstützen und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, übernimmt die gesetzliche Krankenkasse sozialmedizinische Nachsorgemaßnahmen. Qualifizierte Mitarbeiter begleiten dabei die Kinder und ihre Familien von der stationären Behandlung an und erleichtern ihnen den Übergang in die häusliche Pflege.
Voraussetzungen
Anspruchsberechtigt sind chronisch kranke oder schwerstkranke Kinder und Jugendliche
- unmittelbar nach einer Krankenhausbehandlung oder stationären Rehabilitation
- die zu Beginn der Nachsorge das 14. Lebensjahr oder in schwerwiegenden Fällen das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben
- die gesetzlich krankenversichert sind
Außerdem muss die sozialmedizinische Nachsorge
- aufgrund der Schwere, Art und Dauer der Erkrankung erforderlich sein
- den Krankenhausaufenthalt verkürzen oder die anschließende ambulante ärztliche Behandlung sichern
Zielgruppe
Um eine sozialmedizinische Nachsorge in Anspruch zu nehmen, muss die Erkrankung unter eine dieser ICD-10 Diagnosen fallen:
- Früh- und Risikogeborene
- chronische Erkrankungen, wie z. B. Asthma, Adipositas, Diabetes, Neurodermitis, Epilepsie
- lebenslimitierende Erkrankungen, wie z. B. Krebs, Mukoviszidose, schwere Stoffwechselstörungen
- Kinder und Jugendliche in der Palliativphase
Im Finalstadium einer Erkrankung, wenn das Kind oder der Jugendliche also voraussichtlich nur noch eine Lebenserwartung von wenigen Wochen oder Monaten hat, gelten die Voraussetzungen für sozialmedizinische Nachsorgemaßnahmen als erfüllt. Es wird davon ausgegangen, dass die Angehörigen in dieser Phase einen erhöhten Unterstützungsbedarf haben.
Die Indikation für sozialmedizinische Nachsorge ist gegeben, wenn bei schwer kranken Kindern und Jugendlichen
- ein komplexer Interventionsbedarf wegen schweren Schädigungen der Körperfunktion besteht
- aus den Schädigungen Beeinträchtigungen in der altersentsprechenden Aktivität und Teilhabe resultieren (z.B. hinsichtlich der Mobilität, Kommunikation, Selbstversorgung)
- ohne die notwendige Unterstützung bei der Organisation der komplexen Interventionen eine familiäre Überforderung droht
Ausnahme: In besonderen Fällen übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung die sozialmedizinische Nachsorge auch für Jugendliche zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr, wenn zusätzlich zu den oben genannten Kriterien
- der Jugendliche wegen einer akuten Erkrankung, eines Unfalls oder einer Behinderung nicht mehr in der Lage ist, einen altersentsprechenden Beitrag zur Selbstversorgung zu leisten (z.B. selbständige Körperpflege, Toilettengang, Essen und Trinken) und dadurch eine familiäre Überforderung droht
oder
- der Jugendliche in den letzten 12 Monaten mindestens 3 mal wegen der zugrundeliegenden Diagnose im Krankenhaus behandelt wurde
Die sozialmedizinische Nachsorge muss vom behandelnden Arzt verordnet werden. Dies geschieht in der Regel noch während des stationären Aufenthalts, kann jedoch längstens bis zu 6 Wochen nach der Entlassung erfolgen. Die Verordnung muss vom Erziehungsberechtigten unterschrieben und zur Genehmigung unverzüglich an die Krankenkasse weitergeleitet werden.
Es ist immer die Krankenkasse zuständig, bei der eine Familienversicherung besteht oder das Kind/der Jugendliche eine eigene Mitgliedschaft hat.
Die Leistung muss nach Eingang der Bewilligung unverzüglich beginnen.
Leistungen
Die Leistungen der sozialmedizinischen Nachsorge umfassen
- die Analyse des Versorgungsbedarfs/Vorbereitung (u.a. Unterstützung der Eltern während des Klinikaufenthalts bei der Entscheidung für eine häusliche Versorgung)
- die Koordinierung der verordneten Leistungen (u.a. Kontaktvermittlung zu den weiterbehandelnden Ärzten und Leistungserbringern, Koordinierung der verschiedenen Versorgungsleistungen)
- die Anleitung und Motivierung zur Inanspruchnahme der verordneten Leistungen (z.B. Förderung des Krankheitsverständnisses und der Krankheitsbewältigung)
Die Maßnahmen orientieren sich am Interventionsbedarf des Kindes. Ziel ist es, eine familiäre Überforderung im Zusammenhang mit der Neuorganisation des Berufs- und Familienlebens und der Versorgung des Kindes zu vermeiden.
Den ersten Kontakt nehmen die Mitarbeiter/innen der Nachsorgeeinrichtung bereits in der Klinik auf. Sie helfen den betroffenen Familien die häusliche Pflege vorzubereiten, begleiten sie nach Hause, unterstützen, koordinieren und organisieren verschiedene Hilfeleistungen, beraten und leiten die Eltern bei der Pflege ihres Kindes an.
Eine Betreuung und Nachsorge ist unter Umständen auch für die Geschwister chronisch kranker Kinder und für Angehörige verstorbener Kinder und Jugendlicher möglich.
Gleichzeitiger Erhalt anderer Leistungen
Aufgaben, die bisher von Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen beim Übergang von stationären zu ambulanten Behandlungen übernommen wurden (z.B. durch den Sozialdienst), werden nicht durch die sozialmedizinische Nachsorge ersetzt. Ebenso verhält es sich mit anderen Leistungen der Krankenversicherung oder anderer Sozialleistungsträger, wie z.B. häusliche Krankenpflege oder Leistungen der Pflegeversicherung.
Werden dagegen Leistungen zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (Siehe auch: Hospiz und Palliativversorgung bei Kindern und Jugendlichen) in Anspruch genommen, können Betroffene sozialmedizinische Nachsorgemaßnahmen nicht in Anspruch nehmen.
Leistungsumfang und -dauer
- der Leistungsumfang muss mindestens 6 sozialmedizinische Nachsorgeeinheiten, davon mindestens 3 im häuslichen Bereich, umfassen
- eine Nachsorgeeinheit dauert 60 Minuten. Sie kann auch maßnahmebezogen in kleinere Zeiteinheiten aufgeteilt werden
- es sind maximal 20 Nachsorgeeinheiten innerhalb von 6 - 12 Wochen möglich, wobei die Analyse des Versorgungsbedarfs maximal 3 Einheiten umfasst
- wenn das Nachsorgeziel in begründeten Ausnahmefällen nicht in dem vorgegebenen Zeitrahmen erreicht werden kann, ist es möglich die Leistung um bis zu 10 Nachsorgeeinheiten zu verlängern
- bei einer wiederholten Krankenhausbehandlung oder Rehabilitationsmaßnahme wegen derselben Indikationen kommen erneute Nachsorgemaßnahmen in Betracht, wenn sich die Ausgangssituation verändert hat (z.B. wenn der Krankheitsverlauf sich verändert, eine Bezugsperson ausfällt oder andere Interventionen notwendig sind)
Anlaufstellen und weitere Informationen
Über den Bundesverband Bunter Kreis e. V. findest Du eine entsprechende sozialmedizinische Nachsorgeeinrichtung in Deiner Nähe und erhältst weitere Informationen: www.bv-bunter-kreis.de/