Zuletzt aktualisiert am 20. Dezember 2021
Therapieoptionen bei ADHS
Das Ziel einer ADHS1 Therapie ist es, die Leitsymptome Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit in den Griff zu bekommen. Der Patient soll lernen, mit seiner Krankheit umzugehen, sein geistiges Potenzial auszuschöpfen und seine sozialen Fähigkeiten auszubauen.
Die Wahl der Therapie ist vom Schweregrad der Störung und der Symptome abhängig. Sie sollte individuell und multimodal aus sich ergänzenden Behandlungsbausteinen zusammengesetzt sein. Oftmals beziehen Ärzte die Bezugspersonen sowie die Schulen oder Kindergärten mit ein.
Nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten wie Psychotherapie und Ergotherapie können mit der Einnahme von Medikamenten kombiniert werden.
Medikamentöse Behandlung
Nicht jeder Patient mit ADHS benötigt Medikamente. Bevor eine medikamentöse Behandlung begonnen wird, sollten u. a. die Schwere und die Dauer der Symptome beurteilt werden. Bei mittel- und schwerbetroffenen Patienten kann eine medikamentöse Behandlung neben verhaltenstherapeutischen und pädagogischen Ansätzen sinnvoll sein. Die individuellen Umstände des Patienten und seiner Diagnose entscheiden darüber, welche Medikamente wie eingesetzt werden sollten. In manchen Fällen können sich Betroffene erst durch die Wirkung der Präparate auf eine anschließende Verhaltenstherapie einlassen.
Die Befürchtung, dass ADHS-Medikamente suchtfördernd sind bzw. abhängig machen, ist nach derzeitigem Forschungsstand unbegründet. Es gibt jedoch ein gewisses Risiko des Missbrauchs, insbesondere bei Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen. Die Abgabe des Medikaments erfolgt über ein spezielles Rezept (Betäubungsmittel-Rezept) und darf nur an tatsächlich Erkrankte erfolgen.
Ziel der medikamentösen ADHS-Therapie ist es, die lokale Unterfunktion der Signalübertragung im Gehirn auszugleichen. Die Arzneistoffe erhöhen die Konzentration von Dopamin oder Noradrenalin oder sie vermindern deren Abbau. Dadurch verbessert sich die Aufmerksamkeits und Konzentrationsfähigkeit der Betroffenen.
Methylphenidat (MPH)
Zur Behandlung von ADHS verschreiben Ärzte am häufigsten Arzneimittel mit dem Wirkstoff Methylphenidat. Er hat eine stimulierende Wirkung und gehört zu den Amphetaminderivaten. Methylphenidat erhöht die Konzentration der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin und aktiviert bestimmte Gehirnareale. Methylphenidat wird in Form von Tabletten oder Kapseln eingenommen, die optimale Dosierung wird für jeden Patienten individuell festgelegt. Der Wirkstoff unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz und ist seit 2011 auch zur Behandlung von Erwachsenen zugelassen, die bereits als Kinder bzw. Jugendliche ADHSSymptome aufwiesen.
Atomoxetin
Atomoxetin, ein selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer, ist ein neuerer Wirkstoff zur Behandlung von ADHS. Er steigert die Konzentration von Noradrenalin im Gehirn und sorgt dafür, dass die Signalübertragung wieder richtig funktioniert. Die volle Wirkung tritt erst 4 bis 6 Wochen nach der erstmaligen Einnahme ein.
Andere Medikamente werden nur in Einzelfällen verordnet. Manchen Patienten, bei denen Methylphenidat oder Atomoxetin nicht wirken, können Dexamfetamin oder Guanfacin helfen.
Bei vielen ADHS-Patienten bessern sich die Symptome nach einigen Monaten oder Jahren dauerhaft, in manchen Fällen kann eine Behandlung aber auch bis ins Erwachsenenalter erforderlich sein.
Umgang mit Nebenwirkungen
Neben Kopfschmerzen, Schlaf und Verdauungsproblemen kann es auch zu psychischen Nebenwirkungen kommen. Deshalb sollte zu Beginn einer medikamentösen Therapie langsam eindosiert und die Verträglichkeit fortlaufend beobachtet werden. Um Nebenwirkungen möglichst zu vermeiden, versuchen Ärzte ihre Patienten auf die geringste wirksame Dosis einzustellen. Daher sind regelmäßige Kontrollen zu empfehlen, um die Therapie individuell anpassen zu können.
Bei erfolgreicher Therapie sollte die Dosis zu gegebener Zeit unter Aufsicht des Arztes schrittweise reduziert werden; ein abruptes Absetzen sollte vermieden werden.
Nicht-medikamentöse Therapieverfahren
Neben der medikamentösen Behandlung werden bei einer ADHS vor allem Verhaltenstherapien und Coaching-Verfahren angewandt. Das wichtigste Therapieziel ist die Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls und das Erlernen von Handlungsstrategien für den Umgang mit der Störung.
Wichtig: Bei Kindern sollten auch die Eltern diese Strategien erlernen und anwenden können.

Psychoedukation
Grundlage jeder Therapie ist die Aufklärung und Beratung der Betroffenen und ihrer Angehörigen, die sogenannte Psychoedukation. Psychoedukationskurse, die als Einzel- oder Gruppenkurse unter fachtherapeutischer Leitung stattfinden, informieren über die Störung und fördern das Verständnis und den selbstverantwortlichen Umgang mit ADHS. Es gibt zudem die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen und zur Kontaktaufnahme mit Selbsthilfegruppen.
Bei Kindern und Jugendlichen spielt in der Therapie die Familie eine wichtige Rolle. Durch Maßnahmen wie der Analyse konkreter Problemsituationen, der Verminderung negativer Erfahrungen in der Eltern-Kind-Beziehung sowie der Beeinflussung der Verhaltensprobleme durch positive/negative Konsequenzen, soll ein besserer Umgang mit der Störung entwickelt werden.
Informationen zu Psychoedukationskursen erhalten Sie bei Ärzten, Therapeuten oder bei Selbsthilfegruppen. Viele Krankenkassen übernehmen auch die Kosten. Es lohnt sich daher, beim Versicherer nachzufragen.
Psychotherapie
Bei einer ADHS werden vor allem Verfahren der Verhaltenstherapie angewandt. Hier lernen die Betroffenen, mit ihren Besonderheiten und Problemen richtig umzugehen. Sie erfahren, wie sie ihre Handlungen besser steuern und ein angemesseneres Verhalten im Umgang mit anderen entwickeln können.
Um die oftmals belastete Familiensituation zu verbessern, kann auch eine gemeinsame Familientherapie hilfreich sein. Tiefenpsychologische und psychoanalytische Ansätze können zusätzlich sinnvoll sein, um Begleitstörungen wie Ängste oder Depressionen zu lindern oder die Ich-Struktur der Patienten zu festigen.
Weiterführende Informationen finden Sie im neuraxWiki Artikel zum Thema Psychotherapie.
Ergotherapie
Bei einer ADHS kann zur ergänzenden Behandlung Ergotherapie durchgeführt werden. Ziel der Therapie ist es, Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Motorik zu fördern. Die betroffenen Kinder lernen in Bewegungsspielen, sich auf einzelne motorische Abläufe zu konzentrieren. In speziellen Rollenspielen können sie den sozialen Umgang mit anderen Gleichaltrigen üben. Oftmals beziehen die Therapeuten die Eltern mit ein.

Wichtig: Da bislang noch unzureichende evidenzbasierte Wirksamkeitsnachweise vorliegen, wird die Ergotherapie in den meisten Behandlungsleitlinien bisher noch nicht erwähnt. In der Praxis wird die Therapie jedoch häufig angewandt.
Weiterführende Informationen finden Sie im neuraxWiki Artikel zum Thema Ergotherapie.
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Tipps im Umgang mit ADHS für Betroffene
Informationen zu ADHS für Eltern und Fachkräfte
1In diesem Artikel wird für die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung die Abkürzung AD(H)S verwendet, da dies verdeutlicht,dass Ausprägungen der Störung mit und ohne Hyperaktivität (H) existieren.